Konturen und Zusammenhalt der kroatischen Sprache
Aufzeichnung der Vorträge des Symposiums
Im Gedenken an Radoslav Katičić
Aufzeichnung der Vorträge des Symposiums
Im Gedenken an Radoslav Katičić
Zorka Kinda-Berlakovich, Daniel Glunčić, Georg Holzer, Sabine Weisz
Eine grotesk vereinfachte Antwort auf die Frage der Sprachdifferenzierung
„Seit ich denken kann, war mein Vater mein ganz persönliches Wörterbuch und Lexikon. Was auch immer ich im Bereich der humanistischen Wissenschaften – insbesondere Geschichte, Geographie, Klassisches Altertum, Sprachen und Sprachwissenschaft – nachschlagen wollte, konnte ich ihn einfach fragen. Das galt natürlich auch für Fragen der Zeitgeschichte und der Gegenwart. Er war immer kundig und informiert und ich konnte mir stets sicher sein, eine unvoreingenommene, wissenschaftlich durchdachte und fundierte Antwort zu bekommen. Vor allem aber wusste er auch „Ich weiß es nicht“ zu sagen. So habe ich ein Leben lang von meinem Vater gelernt, im mühelosen und informellen Austausch, und abgesehen davon, dass mir mein vielgeliebter Vater unendlich fehlt, so fehlt mir jetzt, nach seinem Tode, auch mein Lexikon immens. Aus diesem sehr persönlichen Blickwinkel heraus möchte ich mich in meinem Beitrag dem Thema des Symposiums nähern. Dabei sollen der Stellenwert von Sprache in meiner Familie insgesamt ebenso angesprochen werden wie der sprachenbiographische Werdegang meines Vaters und – eng damit verbunden – meine eigene Sprachenbiographie, die nicht zuletzt auch geprägt war vom Umgang meiner Familie mit der im Alltag stets allgegenwärtigen Mehrsprachigkeit. Bei der für die kroatische Sprache so bedeutenden Frage der Sprachdifferenzierung wird dann mein Vater selbst zu Wort kommen und damit auch ein Einblick in einen der oben beschriebenen informellen Austausche gegeben werden, einen der wenigen schriftlichen, und einen, der für das Thema dieser Zusammenkunft vielleicht relevant ist.“
Die wertigkeitsbezogene oder kulturelle Identität einer Sprache im Verhältnis zur genetischen oder typologischen Identität – am Beispiel des Kroatischen
Radoslav Katičić hat in der Sammlung seiner Aufsätze Novi jezikoslovni ogledi / Neue sprachwissenschaftliche Versuche(21992), im Text Identitet jezika / Identität einer Sprache, dem Modell der einheitlichen Identität (model jedinstvenog identiteta) ein innovatives Modell der zusammengesetzten Identität (model složenoga identiteta) gegenübergestellt. Jede Sprache ist ein Kommunikationssystem, und als solches hat sie eine typologische oder deskriptive Identität: Dadurch wird sie als ein System von Sprachzeichen beschrieben. Sie hat aber auch ihre Geschichte und ihren Ursprung, und so hat sie auch eine genetische Identität und einen Platz in der genetischen Klassifikation der Sprachen. Eine Sprache drückt aber auch Werte aus, sie kann gepflegt oder vernachlässigt werden, sie kann einige Inhalte schön oder hässlich, der Kultur eines Volkes oder seiner Sprachgemeinschaft angemessen oder unangemessen ausdrücken, und so hat sie auch eine wertigkeitsbezogene Identität. Diese Aspekte der Identität einer Sprache scheinen sich in einigen Fällen zu decken. Katičić führt die Beispiele des Französischen oder Russischen als solche Fälle an, für welche das Modell der einheitlichen Identität an sich auszureichen scheint. Er problematisiert aber danach die Fälle des Niederländischen im Bezug auf Plattdeutsch und Hochdeutsch, des Jiddischen, der norwegischen Sprachen Landsmaal und Riksmaal im Bezug auf Dänisch, usw. In solchen Fällen glaubt Katičić, dass das Modell der zusammengesetzten Identität bessere Ergebnisse zeitigt und den Sprachwissenschaftlern ermöglicht, besser die Verschiedenheit der Sprachen der Welt und die Mannigfaltigkeit ihrer Verhältnisse einzuschätzen. Die Einführung der wertigkeitsbezogenen Identität in das Modell verlangt nach Katičić von einer gediegenenPhilologie, über die Beziehungen zwischen Kultur, Literatur und Sprache noch einmal nachzudenken. In diesem Sinne werden in diesem Beitrag die wertigkeitsbezogenen Eigenschaften der kroatischen Sprache an Beispielen dargestellt, aus denen deutlich hervorgeht, dass Kroatisch eine besondere Standard- oder Literatursprache ist, die sich von den genetisch (und großteils typologisch) verwandten Sprachen klar unterscheidet.
Anmerkungen zum Verhältnis zwischen den Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch („BKS“). Zur Vorlage im österreichischen Parlament.
Vorgetragen werden drei politische Texte, die vom Vortragenden in seiner offiziellen Funktion als ao. Universitätsprofessor für slavische Sprachwissenschaft (Universität Wien) und als Obmann der Österreichischen Gesellschaft für Kroatistik in der Causa „Bürgerinitiative Nr. 27 betreffend ,Kroatisch als eigenständiger muttersprachlicher Unterricht‘“ dem österreichischen Parlament zu Handen der zuständigen Referentin übermittelt worden sind. Die drei Texte tragen die Titel„Anmerkungen zum Verhältnis zwischen den Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch („BKS“), „Betrachtungen zur Unterschiedlichkeit des Kroatischen, Serbischen und muslimischen Bosnischen“ und „Zur Bedeutung der Konfessionen in der Frage der Unterschiedlichkeit des Kroatischen, Serbischen und muslimischen Bosnischen“. Auf dem Symposium möchte der Vortragende einerseits seine politischen Texte zur wissenschaftlichen Diskussion stellen, andererseits aber auch Einblicke in die Probleme des kroatischen muttersprachlichen Unterrichts und deren politische Behandlung in Österreich geben.
Problemfelder slowenisch-kroatischer Beziehungen: Einige Randbemerkungen
Im Beitrag sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden benachbarten südslawischen Sprachen Slowenisch und Kroatisch beleuchtet werden. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Schrift, der Orthographie und der Bedeutung der Standardsprache und den Besonderheiten ihrer Herausbildung im 19. Jahrhundert gewidmet. Insbesondere soll auf einige lexikalische Transfererscheinungen aus dem Kroatischen eingegangen werden, die im slowenischen Basiswortschatz zu beobachten sind.
Radoslav Katičić und die Zeitschrift Jezik
Im Referat wird die Tätigkeit von R. Katičić, als Mitherausgeber und Autor zahlreicher Arbeiten in der Zeitschrift Jezik, besprochen. Die Mitherausgeberschaft von R. Katičić war langanhaltend und dauerte mit einer dreijährigen Unterbrechung von 1980 bis zu seinem Tode 2019.Katičićs Beiträge in der Zeitschirft Jezik wurden für diese Untersuchung in zwei Gruppen eingeteilt. Bei den Aufsätzen betreffend die Sprachstandardisierung liegt der Schwerpunkt auf Katičićs Bewertung des Hrvatski pravopis aus dem Jahre 1971 sowie seinem Diskurs mit P. Ivić von 1995 bis 1998. Die Beiträge zur Syntax, die vor allem in methodologischer, allgemeinlinguistischer und theoretischer Hinsicht neue Wege beschreiten, werden in Bezug zu Katičićs Werk Syntax auf- gezeigt. Neben einem kurzen Rückblick auf die in der Zeitschrift Jezik behandelte Syntax sowie die Erörterungen, welche
Katičić mit verschiedenen Autoren führte, wird die persönliche Erfahrung der Autorin mit Katičićs Sintaksa, als einem methodischen Vorbild für das wissenschaftliches Arbeiten und die praktische Unterrichtstätigkeit, dargestellt.
Der schriftlichen Version des Referats liegt eine Bibliographie der Beiträge von R. Katičić, die in der Zeitschrift Jezik erschie- nen sind, bei,. Es sind insgesamt 43. Der erste Artikel wurde 1963 veröffentlicht, der letzte 2015.
Radoslav Katičić i časopis Jezik
U radu se opisuje i komentira djelatnost R. Katičića u časopisu Jeziku. Opisuje se njegov suurednički i autorski rad. Suured- ništvo je R. Katičića bilo dugovječno, s jednim je trogodišnjim prijekidom suurednikom bio od 1980. pa do 2019., do smrti.
Za potrebe ovoga rada, Katičićevi su radovi iz Jezika razvrstani i opisani u dvjema skupinama – standardološki i sintaktički radovi. Među standardološkim je radovima naglasak na Katičićevoj ocjeni Hrvatskoga pravopisa iz 1971. i raspravi i P. Ivićem 1995. – 1998. Sintaktički su radovi prikazani u odnosu na Katičićevu Sintaksu, ponaprije kao onodobni metodološki općejezikoslovni teorijski iskoraci. Uz kraći osvrt na prikaze Sintakse objavljene u Jeziku i rasprave koje je R. Katičić vodio s različitim autorima, donosi se autoričino osobno iskustvo sa Sintaksom kao metodološkim uzorom za znanstveni rad i praktični nastavni rad.
Radu je pridodana bibliografija radova R. Katičića objavljenih u Jeziku. Ukupno ih je 43. Prvi je rad objavljen 1963., po- sljednji 2015.
Anmerkungen zu Katičićs Sichtweise der sprachlichen Scheidewege der burgenländischen Kroatinnen und Kroaten Ende des 20. Jahrhunderts
Die burgenländischen Kroaten an sprachlichen Scheidewegen lautet ein von Radoslav Katičić im Jahre 1986 verfasster Beitrag, dessen Problematik heute noch aktuell ist. Im Vortrag werden drei von Katičić erörterte linguistische Dimensionen behandelt Die Sprecher_innen des Burgenlandkroatischen sind ihrer Mundart und ihrer Muttersprache nach Kroat_innen. Kann es in diesem Sinne auch eine besondere burgenländisch-kroatische Sprache geben oder werden im Burgenland bloß einige Mundarten des kroatischen Sprachkomplexes gesprochen? Für ein entwickelteres geistiges Leben, die Pflege umfangreicherer kultureller Inhalte, insbesondere jede Form des schriftlichen Ausdrucks sind Mundarten jedoch nicht mehr ausreichend – und hier behandelt Katičić eine zweite linguistische Dimension, die Dimension der Literatursprache. Diese burgenländisch-kroatische Literatursprache ist allen Kroat_innen im Burgenland verständlich, ist aber auch in vielerlei Hinsicht mit der Tradition der Literatursprache in der alten Heimat verbunden. Die dritte linguistische Dimension ist jene der Standardsprache, bei deren Realisierung Katičić drei Möglichkeiten vorstellt. Im Vortrag wird insbesondere der in der Zwischenzeit realisierte Standardisierungsprozess erörtert und zur Diskussion gestellt.
Armin Pavić und die philologische Schule der kroatischen Vuk-Anhänger
Armin Pavić (1844 – 1914) gilt neben Tomislav Maretić als der bedeutendste oder hervorragendste kroatische Vuk-Anhäger der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Trotzdem gibt es in der kroatistischen Literatur nur wenige Angaben zu Pavić. Hauptsächlich wird aufgezeigt, dass er als kroatisch-serbischer Unitarist während der Regierungszeit von Banus Károly Khuen-Héderváry (1883-1903), in Einklang mit der unionistischen Politik des Banus und der Sprachpolitik von Pest und Wien, die sprachlichen und orthographischen Grundsätze der Zagreber philologischen Schule nicht berücksichtigte. Im Vortrag werden zwei Aspekte von Pavićs Wirken diskutiert, die in der kroatistischen Literatur kaum berücksichtigt wer- den und die nicht mit der Vorstellung von Armin Pavić als einem national nicht profilierten Vuk-Anhänger übereinstimmen, der sich nicht um kroatische nationale und sprachliche Interessen kümmerte: 1) Armin Pavić vertrat im Gegensatz zu Tomo Maretić oft ausschließlich kroatische nationale Standpunkte. Aus diesem Grund kritiserten ihn mehrmals die politischen und kulturellen Vertreter der Serben und fochten seine Meinung an. 2) Die Reform der kroatischen Orthographie, die Pavić mittels dem Hrvatski pravopis von Ivan Broz im Jahre 1892 durchführte, wurde nicht im Kabinett von Banus Károly Khuen- Héderváry, sondern innerhalb der Jugoslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste konzipiert. Ich habe mehr- mals mit dem Akademiemitglied Radoslav Katičić über Armin Pavić gesprochen und werde in dem Vortrag einige neue Fakten präsentieren, die den Forscher_innen dieses Teils der kroatischen Literatursprachgeschichte bis vor kurzem nicht zugänglich waren.
Armin Pavić i filološka škola hrvatskih vukovaca
Armina Pavića (1844.—1914.) smatra se pored Tomislava Maretića ključnim odnosno najistaknutijim hrvatskim vukovcem posljednjih desetljeća XIX. stoljeća. Unatoč tomu, kroatistička literatura donosi o Paviću vrlo malo podataka. Uglavnom se prikazuje da je on kao hrvatsko-srpski jezični unitarist u doba vladavine bana Károlyja Khuen-Héderváryja (1883.—1903.) u skladu s banovom unionističkom politikom i u skladu s jezičnom politikom Pešte i Beča rušio jezično-pravopisne zasade zagrebačke filološke škole. U predavanju će se govoriti o dvama aspektima Pavićeva djelovanja koji se u kroatističkoj litera- turi slabo uzimaju u obzir i koji nisu u skladu s predočbom o Arminu Paviću kao nacionalno neprofiliranom vukovcu kojemu nije bilo stalo do hrvatskih nacionalnih i jezičnih interesa: 1) Armin Pavić često je, za razliku od Tome Maretića, nastupao s ekskluzivno hrvatskih nacionalnih stajališta. Zbog toga su ga politički i kulturni predstavnici Srba u više navrata prozivali i osporavali. 2) Reforma hrvatskoga pravopisa koju je Pavić proveo putem Hrvatskoga pravopisa Ivana Broza iz 1892. idej- no nije nastala u kabinetu bana Károlyja Khuen-Héderváryja, nego unutar Jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti. S akademikom Radoslavom Katičićem razgovarao sam u više navrata o Arminu Paviću, a u predavanju ću predstaviti neke nove činjenice koje istraživačima toga dijela hrvatske književnojezične povijesti donedavno nisu bile dostupne.